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#Bildung #Kultur #Transdisziplinarität

Bilder verstehen – Demokratie schützen

Mikiko-Anne Fenner, Projektleitung Kinder - & Jungendbildung, Akademie für Fotografie

Am 12. Dezember 2024 präsentierten Schüler:innen der Kunstklasse, Jahrgang 10 von Frau Kafka des Goethe Gymnasiums ihre Fotoarbeiten aus einem achtwöchigen Projekt zum Thema „Förderung von Bildlesekompetenz zur Sicherung demokratischer Systeme“ in einer schulweiten Vernissage.

Diese Arbeiten entstanden in Zusammenarbeit mit der Fotografin Valérie Wagner und dem Fotografen Tom Schönfeld von der Akademie für Fotografie. In den zurückliegenden Wochen erfuhren die Schüler:innen viel über Bildtheorie, Bildbearbeitung und die Rolle von KI, durften selbst zur Kamera greifen und sich im Generieren von KI-Bildern versuchen. Zum Thema „It‘s a Plastic World“ sollten die Schüler:innen sowohl die Vor- als auch die Nachteile von Plastik in den Fotos thematisieren und Erlerntes direkt anwenden. Eine große Herausforderung war die Arbeit mit der KI Adobe Firefly, in der ein ergänzendes Bild zu den Arbeiten produziert werden sollte. Zum Ende des Projekts entstanden Fotoreihen mit individuellen Geschichten zum Thema Plastik, die die Schüler:innen bei der Vernissage ihren Mitschüler:innen vorstellten und erklärten.

Diesem Projekt vorausgegangen waren mehrere Wochen Konzeption, in denen Valérie Wagner und Tom Schönfeld ein Bildungsformat zum Thema Bildlesekompetenz entwickelten. Dieses Format, bestehend aus 6 Bildungsmodulen, sollte den Schüler:innen Stück für Stück die Aspekte Bildmanipulation und Bildgestaltung, die Möglichkeiten und Gefahren von KI sowie das Lesen und Verstehen von Fotos nahe bringen. Workshops dazu fanden auch einmal wöchentlich in einer Doppelstunde des Kunstunterrichts statt. Ziel war, ein Bildungsformat zu entwickeln, welches in Zukunft Teil des schulischen Medienunterrichts werden und den Schüler:innen im Anschluss ermöglichen sollte, Medien souverän und reflektiert zu nutzen. Das Lehrpersonal war begleitend bei den Workshops dabei und wurde so mitgeschult, um dann in folgenden Schuljahren die Bildungsmodule selber in anderen Klassen in ihren Unterricht zu integrieren. 

Auslöser für diese Projektidee war ein Bericht des Deutschen Fotorats, der vor „irreführenden KI-Bildern in der Berichterstattung“ gewarnt hatte und an die „Dringlichkeit der Schulung von Bildlesekompetenz“ bei Kindern und Jugendlichen appellierte. Dieser Beitrag wurde in der Akademie für Fotografie von den Dozent:innen und Mitarbeiter:innen rege diskutiert. Denn im Alltag nehmen Bilder und Fotos permanent Einfluss auf das Leben von Kindern und Jugendlichen. Sie wachsen in einer mediendominierten Welt auf und sind durch den Konsum sozialer Medien einer Bilderflut ausgeliefert. Ob ein Foto das Abbild der Wirklichkeit ist, die Realität verfälscht oder komplett erfunden ist, lässt sich für sie kaum unterscheiden. Die Gewissheit darüber, was wahr und was fake, ist schwindet.

Die Fotografie ist ein sozialer Akt, der Gemeinschaft stiften oder auch Zerfall fördern kann. Wenn nicht mehr zu unterscheiden ist, ob ein Foto eine reale Situation darstellt oder frei erfunden ist, kann es Gemeinschaften bedrohen und nachhaltig demokratiegefährdend sein. Deshalb ist Bildlesekompetenz auch eine Schlüsselkompetenz, um kritisch, reflektiert und selbstbestimmt Medien zu nutzen. Eine umfassende, breit gestreute Bildlesekompetenz ist Grundvoraussetzung für das Funktionieren gesellschaftlichen Miteinanders und für die Erhaltung demokratischer Systeme.

Leider sieht der Medienunterricht der Hamburger Schulen diese Inhalte bisher nicht vor. Deshalb war es der Akademie für Fotografie ein Anliegen, diese vorhandene Lücke in der Medienbildung mithilfe des entwickelten Bildungsformat zu schließen.

Die Kooperation mit dem Goethe Gymnasiums und der Kulturbeauftragten Kunstlehrerin Frau Götz erwies sich als Glücksfall. Auf diese Weise konnten die entwickelten Bildungsmodule erprobt werden und durch Rückmeldungen der teilnehmenden Schüler:innen verbessert und angepasst werden.

Dabei bot es sich an, mit den Kunstklassen des 10. Jahrgangs zu arbeiten. Die Schüler:innen der Kunstklasse von Frau Kafka waren sehr interessiert und motiviert. Sie erfuhren zum Beispiel, dass es Bildmanipulation schon seit Beginn der Fotografie gibt, nur dass es damals zum Teil viel aufwändiger war, Fotos zu verändern. Jedoch war die Motivation zu der Zeit genau dieselbe wie heute – Betrachter:Innen den Betrachter zu täuschen. In den Workshops von Valérie Wagner lag der Schwerpunkt auf Bildgestaltung und Bildwirkung, wichtigen Grundlagen der Bildlesekompetenz. Diese wurden nicht nur vermittelt, sondern die Schüler:innen wandten sie auch direkt praktisch mit Fotokameras der Akademie in diesemeinem Kunstprojekt an. Besonders beliebt waren die Stunden zum Thema KI, die in den Räumen der Akademie für Fotografie stattfanden. Mit diversen Fotos konfrontiert, fühlte Tom Schönfeld den Schüler:innen auf den Zahn, ob sie die manipulierten Bilder von den authentischen unterscheiden könnten - was außerordentlich gut funktionierte. Nach einer kurzen Einführung in ein KI-Programm durften die Jugendlichen dann selbst selbst mithilfe eines Prompts (schriftliche Beschreibung eines Bildes, welches generiert werden soll) Fotos genieren, was sich als gar nicht so einfach darstellte, um zu überzeugenden Ergebnissen zu gelangen. Besondere Freude und Kreativität legten sie dann bei der Verfälschung von Abbildungen des frisch gewählten US-Präsidenten Trump an den Tag. Einige dieser tollen Ergebnisse wurden zusammen mit den Fotoarbeiten des Kunstprojekts ausgestellt und bei der Vernissage von vielen Besucher:innen neugierig und amüsiert betrachtet.

Im Rückblick ein rundum gelungenes Projekt – verbunden mit dem Wunsch der Schüler:innen, noch mehr selbst kreativ zu arbeiten und insgesamt mehr Zeit für die Beschäftigung mit diesem wichtigen Thema zu haben.
Für den zweiten Durchgang, der im April 2025 beginnt, werden wir alle Aspekte der Evaluation in den Modulen berücksichtigen; wir sind sehr gespannt auf die Zusammenarbeit mit den Schüler:innen der nächsten 10. Klasse.

 

Foto: Mikiko-Anne Fenner

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